Was passiert im sexualpädagogischen Unterricht?

29.07.2025

Wir bieten sexualpädagogische Workshops auf verschiedenen Stufen für Zuger Schulklassen an. Ab der 6. Klasse können Lehrpersonen Workshops buchen, in denen wir mit Kindern und Jugendlichen über Themen der sexuellen Entwicklung sprechen, diese können im gewohnten Schulzimmer oder bei uns im eff-zett stattfinden. Viele Erwachsene sind neugierig, um welche Fragen sich der Unterricht dreht, hier ein Einblick.

Modul «Pubertät- alles wird anders»

Unser kürzestes Modul ist dasjenige für Kinder der 6. Klasse. Zu Beginn arbeiten wir mit der ganzen Klasse zusammen und schauen mit ihnen Gegenstände an, denen sie im Laufe ihrer Pubertät begegnen. Diese dürfen sie aus einem blickdichten Sack ziehen, so wissen weder sie noch wir, über welche Aspekte der Pubertät wir zusammen sprechen. Im Sack befindet sich beispielsweise ein Liebesbrief, ein Deo, Tampons, ein Stressball, ein Rasierer oder ein Schwangerschaftstest. Jedes Kind darf selbst entscheiden, ob es in den Sack fassen möchte oder nicht. Die Selbstbestimmung ist in all unseren Modulen der wichtigste Grundsatz.

In der nachfolgenden geschlechtergetrennten Sequenz gehen wir individuell auf die Fragen der Kinder ein. Bei den Mädchen sprechen wir oft über den weiblichen Körper und die Geschlechtsteile, die sich verändern. Im Unterschied zu den Jungs, die ihren Penis sehen und diesen auch mehrmals am Tag berühren, haben die Mädchen wenig Zugang zu ihrer Vulva. Der Kontakt zum eigenen Geschlechtsteil findet meist nur unter der Dusche beim Waschen statt und dann wird es oft mit etwas Schmutzigem, das man reinigen muss, assoziiert. Verstärkt wird dieses Unbehagen auch sprachlich. Es wird noch immer hauptsächlich von Schamlippen gesprochen, als ob man sich dafür schämen müsste, dass sie zum Körper gehören. Wir suchen dann jeweils geeignetere Worte, beispielsweise Geschlechtslippen, Intimlippen oder Vulvalippen, je nachdem, was den Mädchen passend erscheint. Bei den Jungen geht es ebenfalls um die Veränderungen des Körpers und um den ersten Samenerguss. Oft erschrecken die Jungen, wenn da plötzlich eine weisse Flüssigkeit herauskommt, wo das bisher doch immer trocken von statten ging.  

Echte Fragen von 6. Klässler*innen im Kanton Zug

  • Wieso bekommt man einen Steifen?
  • Kann man sterben, wenn man seine Tage hat?
  • Wieso gibt es LGBTIQ?
  • Wann darf man Pornos schauen und wann nicht?
  • Themen, über die ich mehr wissen möchte: Selbstbefriedigung.
  • Was soll man machen, wenn jemand einen liebt, aber man kann die Liebe nicht erwidern?
  • Wieso braucht man zwei Eier? 

Modul «sich kennenlernen - sich näherkommen»

Der Titel des Moduls für die erste Oberstufe ist auf zwei Arten zu verstehen. Einerseits sind viele Jugendliche in der Oberstufe daran interessiert Menschen des bevorzugten Geschlechtes kennenzulernen und sammeln dabei erste Beziehungserfahrungen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass sich die Jugendlichen selbst kennen lernen und sich selbst näherkommen, indem sie ihre eigenen Gefühle wahrnehmen und sich entsprechend verhalten können. Auch in diesem Modul gibt es eine Sequenz mit der gesamten Klasse, damit die Jugendlichen erkennen, dass man sich auch mit dem anderen Geschlecht über Liebe und Beziehung austauschen kann. Dabei besprechen wir die fiktive Geschichte von Finn und Lara und wie es zwischen den Beiden zum ersten Kuss kommt. Wir unterbrechen die Geschichte mehrmals, um mit den Jugendlichen zu diskutieren, was die beiden Protagonist*innen erleben, wie sie sich fühlen und sich verhalten können. Das bietet den Jugendlichen die Möglichkeit, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und ihr Verhalten zu reflektieren.

In der geschlechtergetrennten Sequenz geht es bei den Mädchen erneut um die positive Bewertung des weiblichen Körpers und die Funktionen der einzelnen Geschlechtsteile. Denn im Gegensatz zu den Jungs, die mit ihrem Penis vertraut sind, ist die Vulva den Mädchen noch immer fremd und oft schambesetzt. Man kann auch davon ausgehen, dass die Jungs ihre ersten sexuellen Erlebnisse mit sich selbst in der Selbstbefriedigung machen. Da Mädchen seltener masturbieren, ist es oft so, dass sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit einer anderen Person zusammen erleben. Und obschon die Jungs oftmals stolz auf ihren Penis sind, kommt in diesem Alter die Frage nach der richtigen Grösse des Penis auf. Damit verbunden ist auch die Angst, dass dieser zu klein sein könnte und sie nicht genügen würden. Je nach Wunsch der Jugendlichen schauen wir in den Gruppen an, wie ein Kondom angewendet wird und worauf man bei der Nutzung achten muss.  

Reale Fragen von Schüler*innen der 1. Oberstufe im Kanton Zug

  • Was ist die normale Penisgrösse?
  • Wann sollte man das erste Mal zum Frauenarzt?
  • Wie kann sich eine Frau selbst befriedigen?
  • Wie küsst man mit der Zunge?
  • Wie weiss man, dass der andere bereit ist?
  • Wie kann ich mich bei meinen Eltern outen?
  • Kann man im Schwimmbad schwanger werden?
  • Was gibt es für Sex-Arten und was bedeuten sie? 

Modul «Liebe und Sexualität»

In diesem Modul, welches für die 2. Oberstufe aufgebaut ist, lassen wir die Jugendlichen paarweise über verschiedene Fragen im Zusammenhang mit Liebe, Beziehung und Sexualität diskutieren. Was machst du, damit du dich hübsch und attraktiv fühlst? Wie sagst du jemandem, dass seine/ihre Berührungen dich stören oder nicht erwünscht sind? Woran merkst du, dass du bereit bist für das erste Mal Geschlechtsverkehr? Was hat für dich Liebe mit Sexualität zu tun?

Die Gruppen werden zufällig gemischt und es finden mehrere Runden statt, damit man mit unterschiedlichen Personen in Austausch kommt. Im Anschluss werten wir die Übung aus und schauen mit den Jugendlichen an, wie man reagieren kann, wenn einem Fragen unangenehm sind. Gleichzeitig besprechen wir, woran sie merken, dass eine Situation unbehaglich wird. Wir thematisieren mit ihnen, dass körperliche Empfindungen uns oft schon frühzeitig mittels einem «schlechten Bauchgefühl» warnen und ermuntern sie, sich darauf zu verlassen.

Im zweiten, geschlechtergetrennten Teil geht es vorwiegend in beiden Gruppen um das erste Mal. im Wissen, dass im Median die Jugendlichen in der Schweiz mit rund 16 ½ Jahren ihren ersten heterosexuellen Geschlechtsverkehr haben, ist das Thema für viele in diesem Alter von Interesse. Wir sprechen über die Inexistenz des sagenumwobenen Jungfernhäutchens und warum der erste heterosexuelle Geschlechtsverkehr dennoch schmerzen kann, auch wenn es nicht daran liegt, dass da eine Haut reisst. Bei den Mädchen die Selbstbestimmung und das Empowern des eigenen Körpers im Vordergrund. Und auch bei den Jungs geht es oft um den weiblichen Körper, weil sie gerne besser verstehen möchten, wie dieser in der Sexualität funktioniert. Weitere wichtige Themen sind der Umgang mit Pornografie oder um die Wahl der passenden Kondomgrösse. Zum Schluss wird in beiden Gruppen nochmals die korrekte Anwendung des Kondoms angeschaut und mittels Penismodellen aus Styropor deren Anwendung geübt.

Reelle Fragen von Schüler*innen der 2. Oberstufe im Kanton Zug

  • Welche Stellungen gibt es und welche werden am häufigsten gemacht?
  • Was ist, wenn ich nicht will und er Lust hat?
  • Wie kann man sich auf das erste Mal vorbereiten?
  • Wie machen Lesben Sex?
  • Sind Pornos schädlich?
  • Wie spreche ich ein Mädchen an?
  • Wie verheimliche ich meinen Eltern, dass ich einen Freund habe?
  • Welches ist das beste Verhütungsmittel?
  • Wie lange kann man abtreiben? 

Modul «Fragen über Fragen»

Dieses Modul unterscheidet sich von allen anderen, weil in diesem Modul die Jugendlichen nicht mehr nach Geschlecht aufgeteilt werden. Es ist kein Workshop, sondern eine Fragestunde für die 3. Oberstufe. Die Jugendlichen interessieren sich häufig sehr dafür, welche Fragen das andere Geschlecht bewegen. Auch weil bereits viele von Ihnen erste heterosexuelle Beziehungserfahrungen gesammelt haben. Das widerspiegelt sich auch in den Fragen. Die Jugendlichen dürfen im Unterricht ihr Mobiltelefon nutzen, um ihre Fragen anonym an die Fachperson zu schicken. Wenn sie die Frage einer anderen Person besonders interessiert, können sie die Frage liken und die Frage rutscht in der Hierarchie nach oben. Im Verlaufe des Unterrichts tauen die Jugendlichen zunehmend auf, weil sie merken, dass sie über diese Themen offen reden dürfen und es angemessene Worte gibt, um sexuelle Themen anzusprechen. Und manchmal trauen sie sich dann auch, ihre Fragen mündlich zu stellen. Das freut mich immer besonders, weil es zeigt, dass wir gemeinsam einen «sicheren Raum» kreiert haben.

Echte Fragen einer 3. Oberstufe im Kanton Zug

  • Wie kann sie beim Sex auch kommen?
  • Kann man zu viel Masturbieren (Mann)?
  • Wann ist der richtige Zeitpunkt?
  • Wie viele Tage kann man die Pille danach noch nehmen, wenn das Kondom reisst?
  • Was tun, wenn man sexuell misshandelt worden ist?
  • Haben Frauen Schmerzen beim Sex?
  •  Ist schwul oder lesbisch sein normal?
  • Was ist wichtig für eine gesunde Beziehung?  

Noch ein Gedanke zur geschlechtergetrennten Sequenz

Aus verschiedenen Gesprächen mit queeren Erwachsenen wissen wir, dass sie den sexualpädagogischen Unterricht in ihrer Jugend als schwierig erlebten, weil es diesen geschlechtergetrennten Teil gibt.  Aus der Wissenschaft geht hervor, dass queere Kinder und Jugendliche oft schon früh (teilweise sogar schon im Primarschulalter) merken, dass sie anders fühlen als die Menschen in ihrem Umfeld. In den meisten Fällen bleiben sie jedoch mit diesen Gedanken und Gefühlen allein bis sie sich sicher genug für ein Coming-out fühlen. Das bedeutet wir haben bestimmt queere Kinder und Jugendliche in den Schulklassen, ohne dass das schon jemand weiss ausser der Person selbst. Wir informieren die Klassen jeweils zu Beginn, dass es einen gemischten und einen geschlechtergetrennten Teil geben. Und wenn sich jemand beiden oder keinem Geschlecht zugehörig fühlt, dürfe die Person auf uns zukommen und wir schauen dann gemeinsam, welcher Gruppe sie sich anschliessen möchte oder womit sie sich in dieser Zeit beschäftigen möchte.

Bisher hat sich noch keine Person in diesem Moment geoutet und das erstaunt auch nicht weiter. Meist sind die betroffenen Jugendlichen in dieser Phase mit ihrem inneren Coming-out beschäftigt und noch nicht bereit, dies nach aussen zu kommunizieren. Unsere Aussage soll ihnen jedoch signalisieren, dass ihre Empfindungen einen Platz in unserem Unterricht haben, auch wenn sie nicht direkt angesprochen werden.

Sind Sie eine Lehrperson und möchten einen unserer Workshops buchen? 

Dann melden Sie sich gerne bei uns – per E-Mail 
unter ssb[at]eff-zett.ch oder telefonisch unter 041 725 26 40
Wir besprechen gemeinsam, welches Modul am besten zu Ihrer Klasse passt.

Oder kennen Sie Lehrpersonen, für die unser Angebot spannend sein könnte? 

Dann freuen wir uns, wenn Sie diese Informationen weiterleiten.