Die Geschichten von Peter & Ida, von Emma & Ben und von Lina und George

25.09.2023

Aufklärungsbücher sind etwas Schönes und Hilfreiches - für Kinder und Jugendliche, aber auch die Erwachsenen profitieren von guten Büchern. Interessierten bieten wir am Abraxas Kinder- und Jugendliteraturfestival die Möglichkeit in unseren Büchern zu schmökern und mit Expert*innen über die Bücher zu diskutieren.

„Papa, wie kommen die Babys in den Bauch der Frauen?“ oder „Mama, warum habe ich keinen Penis?“ – Kinder sind neugierig. Sie zögern nicht, direkt und unvermittelt nachzufragen und je nach Situation bringen sie ihre Eltern damit in Verlegenheit. Wie soll man mit Kindern über ein Thema sprechen, das in die Erwachsenenwelt gehört und das auch da noch immer mit Tabus belegt ist?

Hier können Aufklärungsbücher viel bewirken und Entlastung bringen. In Aufklärungsbilderbüchern können Kinder einerseits erfahren, wie Babys entstehen, wie sie im Bauch heranwachsen und wie sie zur Welt kommen. Andererseits können Kinder in Bilderbüchern viel über ihren eigenen Körper lernen. Zum Beispiel welche Körperteile was bewirken und wie sie heissen. Es gibt Körperteile, die oft benannt werden und beispielsweise in Kinderspielen vorkommen - Verse zu Fingern, Zeichnungsanleitungen, um ein Gesicht zu zeichnen oder Lieder, bei denen mit den Füssen und Beinen gestampft wird. Die Geschlechtsteile bekommen häufig kaum Aufmerksamkeit, sie werden selten benannt und vielfach fehlen auch angemessene Bezeichnungen. Kinder lernen daraus, dass diese Körperpartien weniger nennenswert und schambesetzt sind. Kinder sollen ihren gesamten Körper schätzen und kennenlernen dürfen. Sie sollen erleben, dass dieser wichtig und wertvoll ist.

Hilfreich ist es, wenn Aufklärungsliteratur von Anfang an und selbstverständlich in den Regalen der Kinderzimmer zu finden sind. Genauso, wie Bücher über Tiere und Geschichten über das Einschlafen, den ersten Schultag oder Wikinger*innen. Wenn Bücher über Familien und Aufklärung oder Bücher über den eigenen Körper von Beginn an verfügbar sind, stellen sich unvermittelte Fragen seltener. Eltern können entspannter reagieren und mit dem Kind ins entsprechende Bilderbuch schauen, um passende Antworten zusammen zu finden. Wenn ein Buch erst besorgt werden muss, interessiert sich das Kind später vielleicht nicht mehr für das Thema – eine verpasste Chance, um über Aufklärung zu sprechen. Im schlechtesten Fall macht das Kind die Lernerfahrung, dass es auf bestimmte Fragen keine hilfreichen Antworten bekommt. Wenn Kinder erkennen, dass sie mit allen Fragen, auch den heiklen, zu den Eltern gehen können, werden sie das auch dann tun, wenn sie in der Pubertät mit den drängenden Anliegen bezüglich Sexualität konfrontiert sind.

 

 

 

 

Ein weiterer Vorteil von Aufklärungskinderbüchern ist die sorgfältige Sprache. Sie hilft Eltern und Erziehungsberechtigten geeignete Worte zu finden, um über Körperveränderungen und Sexualität zu sprechen. Es bedarf einer kindgerechten Sprache, die weder überfordernd noch beschämend ist. Erwachsene, die nicht gewohnt sind über Sexuelles zu sprechen, tun sich schwerer damit angemessene Formulierungen zu finden die Kinder helfen zu verstehen, wie Babys entstehen und was Frauen anstelle eines Penis haben.

Ebenfalls ist es wichtig niemanden mit sexualpädagogischem Wissen zu überfordern. Wenn ein Kind eine Frage stellt und dann wieder nach draussen springt, war das wohl eher eine Mutprobe oder eine Provokation. Kinder wissen genau, mit welchen Worten und Fragen sie emotionale Reaktionen bei Erwachsenen hervorrufen und setzen dieses Wissen auch gezielt ein. Wenn das Kind durch den Einkaufsladen hüpft und fröhlich «Figge…Figge…» vor sich hinsingt und sich die Eltern peinlich berührt am Einkaufswägeli festhalten- ein ungünstiger Moment, um mit dem Kind darüber zu verhandeln solche Worte nicht zu sagen. Vielleicht kennt es nicht einmal die genaue Bedeutung des Wortes, aber es hat bemerkt, dass die Eltern mit rotem Kopf reagieren und das macht Spass und generiert Aufmerksamkeit. Wenn das Kind nach der Frage stehenbleibt und einem mit erwartungsvollen Augen anschaut, dann möchte es eine angemessene Antwort erhalten. Das Kind kann dann selbst entscheiden, wie viele Nachfragen es noch stellen will, oder wann es genug Information hat. Mein Neffe hat mit sieben Jahren mitten im Spiel gefragt: «Du Gotti, wie kommen die Babys in den Bauch der Mutter.» Auch ich war im ersten Moment etwas überfordert ob der Unmittelbarkeit, mit der die Frage kam. Wir haben dann eine Stunde lang darüber gesprochen - er hat immer wieder nachgefragt und kam dann zum Schluss, dass er sich das nicht vorstellen könne jemanden zu Küssen oder Sex zu haben. Ich habe geantwortet, dass das ok sei, wenn er das nicht tun wolle. Und wenn er es sich später anders überlegen würde, sei das auch in Ordnung. Damals wäre ich froh gewesen, hätte ich ein Bilderbuch zur Hand gehabt. Seither bekommen meine Nichten und Neffen regelmässig Aufklärungsbücher zu Weihnachten.

Zu einer ausgewogenen Aufklärung gehört auch das Kennenlernen und das Wahrnehmen von Gefühlen. Lernen zu erkennen was sich gut anfühlt und was man nicht mag und dazu «Nein» sagen zu dürfen, sind wichtige Lernschritte in der Entwicklung. Das Erkennen der Gefühle und wo im Körper sie sich zeigen, ist nützlich, um den Umgang damit zu lernen. Insbesondere das Aushalten von unangenehmen Gefühlen wie Hilflosigkeit, Enttäuschung oder Frustration, will gelernt sein, damit diese Gefühle nicht in Wut und, im schlechtesten Fall, in körperlicher Gewalt münden. Hier helfen Geschichten, um einen Abgleich mit den eigenen Erfahrungen und Lebensrealitäten zu machen.

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Immer wieder erscheinen Kinderbücher, die mittels Namen für ein Kind personalisiert werden können. Genauso bedeutsam ist, dass die vom Kind erlebte Familienform in einer Geschichte abgebildet wird, sei es die klassische Mutter-Vater-Kind-Familie, die Familie mit einem Elternteil, die Mehrgenerationen-Familie oder auch die Regenbogenfamilie. Diese Narrative geben den Kindern das Gefühl und die Bestätigung, dass ihre Familie in Ordnung ist. In Erzählungen über einen expliziten Kleiderstil, ein geliebtes Hobby, eine körperliche Besonderheit oder das Geschlecht finden entsprechende Kinder wichtige Identifikationsmerkmale, die ihnen das Gefühl geben, mit dem, was sie erleben und spüren richtig zu sein. Wenn ein Kind am liebsten Glitzertutus trägt, dann ist es gut, wenn es Geschichten von Held*innen in Glitzertutus gibt.

Es gibt ein Aufklärungsbuch für Kinder, das in der 52. Auflage seit den späten 70-er Jahren noch immer gedruckt wird und mit welchem schon Generationen aufgeklärt wurden. Und es gibt neue Geschichten und Sachbücher, die ebenso gut und informativ sind und Kindern das Kennenlernen des eigenen Körpers erleichtern. Am Abraxas Kinder- und Jugendliteraturfestival am 4. und 5. November 2023 werden wir, von der Sexual- und Schwangerschaftsberatung, mit einer grossen Auswahl an Kinder- und Jugendaufklärungsbüchern präsent sein. Kommen Sie vorbei und schmökern Sie in den Büchern. Gerne beantworten wie ihre Fragen und verraten ihnen unsere Lieblingsbücher - denn bald darauf ist Weihnachten.